„Bleib gesund!“ – Das war wohl der häufigste Wunsch in den vergangenen Wochen, etwas bewusster und eindringlicher vorgetragen als sonst. Die Beschäftigung mit der bedrohlichen Krankheit und ihren Auswirkungen, die Frage der Ansteckung und ihrer Vermeidung dominierten viele Gespräche, so dass der Wunsch nach Gesundheit mehr als nur eine Floskel war. Gesund zu werden und gesund zu bleiben heißt aufzuatmen, einfach dankbar zu leben und aktiv gestalten zu können, frei zu sein, sich nicht nur mit Krankheit zu beschäftigen zu müssen. Das erzählt auch folgende rabbinische Geschichte vom Arzt Feivel:
In der Stadt Chelm verbreitete sich eine seltsame Epidemie. Angesichts der viele Erkrankungen in seiner Stadt begann der Arzt Feivel seine Patienten zu untersuchen, wer von einer Gesundheit befallen war und das zu diagnostizieren. Bei einem Patienten, der keinen Beinbruch hatte, stellte er eine Knochengesundheit fest, bei einem weiteren Herzgesundheit, bei einem anderen Hautgesundheit und so fort. Bei Schlemihl diagnostizierte er eine unentzündliche Gesundheit des Zahnfleisches. Auf die Frage, was denn das für eine Krankheit sei, sagte der Arzt nur: „Morbus Feivel, Krankheitszerfall im fortgeschrittenen Stadium“. Der Patient verstand das nicht ganz, so wie für ihn oft Diagnosen unverständlich waren. Und als ihn seine Frau zuhause fragte, was der Arzt festgestellt habe, sagte er nur: „Ich habe ansteckende Gesundheit“. Seine Frau wunderte sich, dass sie und ihre Kinder, obwohl sie auf engstem Raum zusammenlebten immer noch erkältet waren. Als sie zum Arzt kam, klärte er sie auf, dass das an der Inkubationszeit liege, die ansteckende Gesundheit breche erst oft Stunden oder Tage nach der Übertragung aus. Tatsächlich begannen sie und ihre Kinder sehr rasch zu gesunden. „Wir haben ansteckende Gesundheit, wir haben uns bei meinem Mann angesteckt“, erzählte sie den Nachbarn. Und dann ging es schnell. In den nächsten Tagen wurden auch die Nachbarn von Gesundheit ergriffen, der Morbus Feivel breitete sich in der ganzen Stadt aus. Bald kamen Leute aus der Umgebung, um sich mit Gesundheit anzustecken. Am Ende war das ganze Land davon infiziert.
In diesem Sinn könnte ein Pfingstwunsch 2020 lauten, sich mit Gesundheit, Lebensfreude und Zuversicht anzustecken, dem Gesunden und der Gesundung Raum zu geben.
In der Pfingstsequenz heißt es über den Hl. Geist:
Ohne dein lebendig Wehn
kann im Menschen nichts bestehn,
kann nichts heil sein noch gesund.
Was befleckt ist, wasche rein,
Dürrem gieße Leben ein,
heile du, wo Krankheit quält.
Wo dieser Geist Gottes wirkt, da können Mensch und Schöpfung gesund werden. Und Gesundheit ist vielfach gefragt. Unser Verhältnis zur Natur braucht Gesundung, damit wir dankbar über die Wunder des Lebens staunen, unsere Verantwortung wahrnehmen und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen können. Es gilt aber auch realistisch die unerlösten Momente der Natur wahrzunehmen und sich darauf einzustellen.
Gesundung brauchen auch unsere Zeiteinteilung und unsere Beziehungen. Viele haben erzählt, dass sie in den vergangenen Wochen klarer gesehen haben, wer und was wirklich wichtig ist, wie eine gute Tagesstruktur und eine echte Spiritualität tragen können. Wertvolle Begegnungen brauchen Zeit und Raum. Hoffentlich vergessen wir das nicht, wenn nun alles wieder hochgefahren wird!
Eine gesegnete Zeit und „ansteckende Gesundheit“!