„Wann kommt der Friede, von dem die Engel sangen?“
Dieses Lied wird bei unseren adventlichen Gottesdiensten gerne gesungen. Und das ist wirklich eine Frage: Wann kommt der Friede? Tausende Jahre wird um Frieden gebetet, gesungen und gerungen – ändert sich etwas? Die Realität sagt so oft etwas anderes, gerade jetzt. Und dann will die adventliche Zeit Frieden verordnen, als wäre es ein Zuckerguss über das ganze Chaos, das diese Welt ausmacht?
Also es lassen? Was wäre dann die Alternative? Resignieren, Versinken im Beklagen, ohne Hoffnung dastehen, alleingelassen mit den negativen Bildern? Das kann es nicht sein!
Advent bietet die Chance, sich in andere Bilder zu vertiefen, Hoffnungsgeschichten zu lesen, Sehnsuchtslieder zu singen und, ja, auch zu beten.
Beten heißt Eintauchen in eine Welt, wo Heilung, Mitleid, Hoffnung großgeschrieben werden, wo anders mit dem Leben umgegangen wird, wo man sich einsetzt für Frieden und Gerechtigkeit, wo vergeben wird. Im Beten wird es innerlich erfasst, was zu Weihnachten verkündet und gefeiert wird: Gott schenkt Frieden, er nimmt am Leben von uns Menschen mit allem, was dazugehört, teil und begleitet es. Er ist da und diese Gewissheit heilt.
Beten heißt sich Zeit nehmen, auf diese Botschaft zu hören, diesen Gedanken Raum zu geben. In der Stille, im Betrachten, im Lesen, im Feiern der Roratemessen, im gemeinsamen Gebet darf die Welt Gottes zu Wort kommen. Wer in der Seele Frieden findet, kann versuchen Frieden weiterzugeben, denn nur zufriedene Mensch können Frieden bringen.
(8.4.23) Ein kleiner Handwerker im Süden Deutschlands macht eine große Karriere: er wird Kaufmann, ist unglaublich erfolgreich und erarbeitet sich viel. Schließlich steigt er ins Immobiliengeschäft ein – eine Goldgrube für ihn. Immer erfolgreicher und unüberschaubarer wird sein Firmengeflecht, immer trickreicher seine Konstruktionen, bis Bankenaufsicht und Finanzbehörden einschreiten. Wegen Betrugs wird er schließlich zu 7 Jahren Haft verurteilt.
Das Gefängnis wird ihm unerträglich, er verliert alle Hoffnung und beschließt seinem Leben ein Ende zu setzen. Er bittet noch einmal seine Familie zu Besuch, ohne ihnen seine Absicht zu erzählen. Für den Enkel, der auch mitkommt, lässt er Stifte und Papier zum Malen vorbereiten.
Am Ende des Besuches fragt er seinen Enkel, ob er ihm das Bild zeige. Es war voller schwarzer Striche, ein Gekritzel und Durcheinander. Auf die Frage, was das bedeute, sagte der Enkel: „Das ist unsere Familie. Alles ist schiefgangen und wir sind traurig, weil du uns fehlst.“ Der Opa bemerkte auf dem Bild noch einen schwarzen Punkt, den er auch erklärt haben wollte. Der Enkel sagte: „Das ist ein Samenkorn, da kommt neues Leben raus.“
Schlagartig spürte der Opa eine Veränderung, es war, wie wenn er ein Licht sähe, und er fühlte Hoffnung und Zuversicht. Später sagte er, es war so, als hätte das ihm Jesus persönlich gesagt. Er fand wieder Mut, saß sein Strafe ab und begann ein neues Leben.
– Die Kraft der Auferstehung wirkt weiter durch die Zeiten und Ostern ist wie dieses Samenkorn, aus dem neues Leben rauskommt. Lassen wir es wachsen, damit die Hoffnung blüht.
(25.2.23) Ein großes Frachtschiff ist bei Nacht auf dem Meer unterwegs und plötzlich sieht der 1. Offizier ein Licht auf das Schiff zukommen. Er meldet es sofort dem Kapitän und der setzt gleich einen Funkruf ab: „Sie befinden sich auf Kollisionskurs, ändern Sie ihren Kurs um 20 Grad!“ Sofort kommt ein Funkspruch zurück: „Sie müssen dringend Ihren Kurs ändern!“
Der Kapitän antwortet: „Wer sind Sie, dass Sie mir das anschaffen können?“ Von der anderen Seite kommt die Antwort: „Ich bin ein ganz normaler Matrose.“ Da antwortet der Kapitän: „Sie wissen nicht, wen Sie vor sich haben! Ich bin der Kapitän eines riesigen Frachters und ich befehle Ihnen Ihren Kurs zu ändern! Ich bin am größten Schiff unserer Nation!“
Der Matrose funkt zurück: „Ich rate Ihnen dringend Ihren Kurs zu ändern, ich bin am Leuchtturm!“
Diese Anekdote zeigt ganz gut, wie es mit Umkehraufrufen gehen kann oder wie wir damit umgehen. Wir fühlen uns manches Mal wie das große Frachtschiff, das voll beladen unbeirrbar unterwegs ist und nur sehr, sehr langsam Kurs ändern kann, wenn es überhaupt will und das einsieht. Eine Kursänderung beleidigt unseren Stolz. Und trotzdem ist es unerlässlich, sonst zerschellen wir an den Felsen, die im Leben so daherkommen. Die Fastenzeit ruft uns zur Umkehr und zum Umdenken in vielen Bereichen:
• Unsere Gesellschaft ist auch so unterwegs wie ein schwer beladener Frachter auf dem Meer, oft unwillig und unfähig, den Kurs zu ändern. Etwa beim Klima, beim Lebensstil, beim Verbrauch, da wissen wir längst, dass es Änderung braucht. Aber anschaffen lassen von lästigen Klimaklebern?
• Unsere Kirche, gerne das Schiff Petri genannt, ist auch manches Mal ein beladener und belasteter großer Kahn, der sich schwertut eine Kursänderung einzuschlagen. Unser Kurs muss gehalten werden wie in allen Zeiten! Und früher? Kursänderungen gehören zur Geschichte!
• Wir selber sind auch in manchen Momenten so unterwegs. Wir haben 100% Recht, die anderen 100% Unrecht. Ändern sollen sich die anderen, ich lassen mir von denen nichts anschaffen! Und da gibt es auch noch die Gewohnheiten, die uns träge und änderungsresistent machen…
Das Evangelium ist wie ein Leuchtturm, der uns den rechten Kurs weist. Gerade in der Fastenzeit sollten wir es wieder zur Hand nehmen und lesen. Ostern vorbereiten heißt Kurs ändern und volle Fahrt voraus, dass das, was wir von Gott verstanden haben, auch in konkreten Taten umgesetzt wird!
Schon eine eigentümliche Haltung des Menschen, zeitlebens zu hoffen, d.h. sich auf die Zukunft auszurichten, das Gute zu ersehnen und freudig zu erwarten.
Gerade zu Weihnachten erzählen prophetische Texte und Bilder von den großen Hoffnungen der Menschen nach Frieden, Gesundheit und Heilsein, Wohlergehen und Familiensinn. Und es ist gut, dass an diese Bilder immer wieder erinnert wird, damit wir nicht verzweifeln an dieser krisengeschüttelten Welt und bei uns selbst stehen bleiben, sondern einen größeren Horizont sehen.
Wer hat uns diese Hoffnung ins Herz gepflanzt? Wo liegt der Grund unserer Hoffnung? Die Weihnachtsbotschaft verkündet: Da steckt Gottes Handschrift dahinter, der uns Hoffnung eingepflanzt hat, die uns auf den guten Weg führt.
Weihnachten lenkt den Blick darauf, wo Hoffnung beginnt: auf das Kleine, auf das Kind, das unsere Sympathie und Aufmerksamkeit, unsere Pflege und unsere Unterstützung braucht. Im Kleinen zeigt sich das Große. So ist es wichtig, die großen Träume und Visionen aufleben zu lassen und zu besingen und ebenso die kleinen Dinge wahrzunehmen: das Lächeln eines Kindes, die Umarmung, den freundlichen Blick, das aufmunternde Wort, die diskrete Unterstützung, das offene Ohr. Das Große wird im Kleinen wirksam, der große Gott wird im kleinen Kind Mensch und die großen Hoffnungen erfüllen sich in den vielen kleinen Hoffnungszeichen.
Dum spiro spero … und Cicero setzt fort: dum spero amo, dum amo vivo (solange ich hoffe, liebe ich und solange ich liebe, lebe ich).
Das größte Geschenk zu Weihnachten ist die Hoffnung, die in der Liebe wirksam wird!
Wer aufmerksam auf die Ereignisse unserer Zeit mit ihren multiplen Krisen schaut, wird sich manches Mal denken: Wie wird das weitergehen? Wie schaut unsere Zukunft aus? Und so manches Mal schleichen sich dabei ganz dunkle Gedanken ein und nicht wenige sehen schwarz. Diese Ängste vor der Zukunft sind ernst zu nehmen, denen müssen wir uns stellen.
Im Christentum hat das Platz, aber man braucht nicht bei diesem Eindruck stehenbleiben, sondern darf tiefer blicken. Das Christentum redet davon, dass das Gegenwärtige nicht alles ist, es geht vielmehr auf die Zukunft zu und die heißt Advent ¬- Ankunft des Reiches Gottes. Dort gelten andere Maßstäbe, dort sind Friede und Gerechtigkeit, dort liegen persönliches Heil und Glück der Schöpfung beieinander. Dieses Reich Gottes ist die Zukunft und sie beginnt schon jetzt mitten in all dem Schlamassel, in dem wir stehen. Jesus Christus kam mitten in die Schwierigkeit dieser Welt hinein und hat durch sein Dasein, seine Worte und Handlungen Zukunft werden lassen. Durch ihn leuchtet das Licht des Heilwerdens schon in unsere Zeit herein und alle, die sich mit diesem Jesus beschäftigen, können dieses Licht weitergeben. Und dann beginnt schon eine Zukunft, die wir ersehnen.
So kann man sagen: Unsere Zukunft heißt nicht Chaos und Untergang, sondern Ankunft. Ankunft des Reiches Gottes. Lassen wir uns darauf ein!
Folgen Sie auf Instagram unserem Adventkalender, der dazu viele gute Impulse geben wird!
Von Leo Nikolajewitsch Tolstoi wird folgende Geschichte erzählt: Es gehörte zu den täglichen Gewohnheiten des Gutsbesitzers und großen russischen Schriftstellers, sich am Nachmittag im Park zu ergehen, der Natur nachzuspüren und die Gedanken kreisen zu lassen. So war es auch an diesem Oktobertag, an dem die Sonne mit ihren Strahlen das Herbstlaub vergoldete. Welch friedliche Natur! Auf seinem Weg störte ihn eine Schar halbwüchsige Buben, die mit Geschrei durch den Park tobten. Sie hatten sich mit Stöcken und allerlei Gerät bewaffnet. Als sie geradewegs auf Tolstoi zustürmten, sah er zu seinem Entsetzen, dass einige größere auf zwei kleine einschlugen. Mit lauter Stimme gebot er Halt – verlegen und ängstlich versammelte sich die Gruppe um ihn. “Welch schändliche Tat”, herrschte er die Knaben an. “Wollt ihr euch gegenseitig totschlagen?” “Aber nein, Gospodin”, antwortete ein Junge, der wohl der Sprecher der Gruppe war: “Wir spielen doch nur.” – “Und wie heißt dieses Spiel?” fragte der Gutsherr weiter. “Wir spielen Krieg.” Tolstoi schüttelte energisch den Kopf und entgegnete laut: “Krieg, Krieg – ihr solltet lieber Frieden spielen!” Missbilligend den Kopf schüttelnd, ging Leo Nikolajewitsch weiter. Auch die Jungen waren still geworden und steckten die Köpfe zusammen. Plötzlich rannte der Sprecher hinter Tolstoi her, zupfte ihn am Ärmel und fragte: “Bitte, Gospodin, wie spielt man eigentlich Frieden?”
(zitiert nach Siegfried Aust: Wie spielt man eigentlich Frieden?)
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Ja, wie geht das mit dem Frieden? Was würden Sie antworten? Manche sind da überfragt und denken da an einen Frieden, der mit Schwachheit, Passivität oder Langweiligkeit gleichgesetzt wird. Und dabei könnte man leicht sagen: Spielt Fangen und Verstecken, macht eine Schatzsuche oder düst mit dem Bike herum, spielt Fußball oder singt, oder spielt eine Runde Activity oder Uno…. also spielt das Leben, ihr braucht nicht das Sterben zu spielen! Gerade in diesen Tagen ist es wichtig, Gedanken des Friedens zu denken und andere Wege zu lernen und zu üben. Und für die Menschen in der Ukraine gilt es zu beten, dass auch sie das Wunder des Friedens wieder erfahren dürfen. Gott möge ihnen helfen und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu!
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Allmächtiger, gütiger und barmherziger Gott, mit allen Menschen guten Willens bitten wir um den Frieden in dieser Welt. Rühre Du die Herzen der Menschen an und gib uns Gedanken des Friedens und der Versöhnung. Erfülle Du die Menschen mit Ehrfurcht vor dem Leben eines jeden Einzelnen, vor dem Leben aller Völker, Religionen und Nationen und vor dem Geschenk der Schöpfung. Gib, dass der Wille zum Frieden den Hass überwindet und Rache der Versöhnung weicht. Lass die Menschen erfahren, dass sie alle Deine Kinder und Geschwister sind, denen Du Deine Liebe schenkst. Und lass uns selbst in dieser Liebe leben. Gütiger Gott, mach‘ mich und alle Menschen zum Werkzeug Deines Friedens. Amen.
Mit einer neuen Webseite gehen wir ins neue Jahr hinein, gestärkt durch die Feier des weihnachtlichen Lichtes, das uns Trost und Zuversicht gibt. Was wird uns dieses neue Jahr wohl bringen? Welche Haltungen wird es brauchen, was gilt es auszuhalten, was wird sich verändern? Ein Blick auf die lange Geschichte der Menschen und ihres tastenden Suchens nach Sinn, nach Vertrauen, nach innerer Kraft und Heil legt eine Haltung besonders nahe: Geduld. Gott hat wohl Geduld mit den Menschen und ihrer Geschichte, wenn wir an so viele Lernprozesse, an Fehler und Rückschritte, aber auch an positive Entwicklungen, an Neubeginn und Fortschritt denken. Geduld heißt warten können, eine Chance zur Entwicklung einzuräumen und an die Zukunft zu glauben. Geduld werden wir alle brauchen, nicht nur angesichts einer unberechenbaren Pandemie, von der keiner sagen kann, was morgen wieder kommt. Adel Bestavros, ein koptischer Theologe, hat einmal formuliert:
Geduld mit anderen ist Liebe. Geduld mit sich selbst ist Hoffnung. Geduld mit Gott ist Glaube.
Wir werden viel Geduld zur Nächstenliebe brauchen, auch für die, die nicht unserer Meinung sind. Es gilt 2022 wieder eine gemeinsame Basis zu finden, damit wir gut leben zu können. Wir werden Geduld mit uns selbst brauchen, weil jeder und jede oft hinter den eigenen Möglichkeiten zurückbleibt und nie ausgelernt hat. Wir werden Geduld mit Gott brauchen, der er es uns und unseren Vorstellungen oft nicht leicht macht, der nicht alles nach unserem Willen geschehen lässt oder sich auf simplem Wege finden lässt. Auch hier gilt es dranzubleiben, zu fragen und zu suchen und nicht vorher aufzugeben.
Der hl. Benedikt spricht einmal davon „die Geduld zu umarmen“. Haben wir Geduld und gehen wir die kleinen Schritte der Hoffnung weiter!
Der Advent ist eine sehr kostbare Zeit. Heuer wird vieles anders sein, aber das Wesentliche kann durchaus, vielleicht sogar vertieft, erfahren werden. Der Adventkranz zeigt, worum es im Wesentlichen geht: Das Grün der Hoffnung bewegt unser Leben und lässt uns erahnen, das nach allem Dunklen das Licht kommt. Für Menschen, die Glauben wagen, kommt am Ende nicht der Schrecken, sondern der Erlöser. Diese Hoffnung beflügelt das Leben! Am Adventkranz werden die Lichter jede Woche mehr. Das erste Licht, dem Evangelium des ersten Adventssonntags folgend, ist das Licht der Wachsamkeit, d.h. der Aufmerksamkeit und der Achtsamkeit. Wie kann man das üben? Ich denke, dass die Stille eine ganz große Möglichkeit dafür ist. In einer Erzählung von Knud Rasmussen heißt es.
Majuaq war eine greise Inuitfrau. Knud Rasmußen, der Forscher, hatte sie gebeten, ihm aus der Geschichte ihres Volkes zu erzählen. Die alte Majuaq schüttelte den Kopf und sagte: „Da muss ich erst nachdenken, denn wir Alten haben einen Brauch, der Quarrtsiluni heißt.“ „Was ist Quarrtsiluni?“ Majuaq erzählte mit großen Handbewegungen: „In alten Tagen feierten wird jeden Herbst große Feste zu Ehren der Seele des Wales und diese Feste mussten stets mit neuen Liedern eröffnet werden, wenn Männer und Frauen tanzten, um den großen Fangtieren zu huldigen. Da hatten wir den Brauch, dass in jener Zeit, in der die Männer ihre Worte zu diesen Hymnen suchten, alle Lampen ausgelöscht werden mussten. Es sollte dunkel und still im Festhaus sein. Nichts durfte stören, nichts zerstreuen. In tiefem Schweigen saßen sie in der Dunkelheit und dachten nach, alle Männer, sowohl die alten wie die jungen. Diese Stille war es, die wir Quarrtsiluni nannten. Sie bedeutet, dass man auf etwas wartet, das aufbrechen soll. Denn unsere Großväter hatten den Glauben, dass die Gesänge in der Stille geboren werden. Dann entstehen sie im Gemüt der Menschen und steigen herauf wie Blasen aus der Tiefe des Meeres, die Luft suchen, um aufzubrechen. So entstehen die heiligen Gesänge.“ Knud Rasmußen (nach Halbfas, 1989).
Im Hören auf die Stille entsteht Achtsamkeit auf das Wesentliche, auf die heilende und heilige Botschaft der Erlösung, die zu Weihnachten verkündet wird. Kurz zusammengefasst könnte man als Motto für die Adventszeit formulieren: „Hör auf dich, hör auf mich, hör auf Gott!“
„Bleib gesund!“ – Das war wohl der häufigste Wunsch in den vergangenen Wochen, etwas bewusster und eindringlicher vorgetragen als sonst. Die Beschäftigung mit der bedrohlichen Krankheit und ihren Auswirkungen, die Frage der Ansteckung und ihrer Vermeidung dominierten viele Gespräche, so dass der Wunsch nach Gesundheit mehr als nur eine Floskel war. Gesund zu werden und gesund zu bleiben heißt aufzuatmen, einfach dankbar zu leben und aktiv gestalten zu können, frei zu sein, sich nicht nur mit Krankheit zu beschäftigen zu müssen. Das erzählt auch folgende rabbinische Geschichte vom Arzt Feivel:
In der Stadt Chelm verbreitete sich eine seltsame Epidemie. Angesichts der viele Erkrankungen in seiner Stadt begann der Arzt Feivel seine Patienten zu untersuchen, wer von einer Gesundheit befallen war und das zu diagnostizieren. Bei einem Patienten, der keinen Beinbruch hatte, stellte er eine Knochengesundheit fest, bei einem weiteren Herzgesundheit, bei einem anderen Hautgesundheit und so fort. Bei Schlemihl diagnostizierte er eine unentzündliche Gesundheit des Zahnfleisches. Auf die Frage, was denn das für eine Krankheit sei, sagte der Arzt nur: „Morbus Feivel, Krankheitszerfall im fortgeschrittenen Stadium“. Der Patient verstand das nicht ganz, so wie für ihn oft Diagnosen unverständlich waren. Und als ihn seine Frau zuhause fragte, was der Arzt festgestellt habe, sagte er nur: „Ich habe ansteckende Gesundheit“. Seine Frau wunderte sich, dass sie und ihre Kinder, obwohl sie auf engstem Raum zusammenlebten immer noch erkältet waren. Als sie zum Arzt kam, klärte er sie auf, dass das an der Inkubationszeit liege, die ansteckende Gesundheit breche erst oft Stunden oder Tage nach der Übertragung aus. Tatsächlich begannen sie und ihre Kinder sehr rasch zu gesunden. „Wir haben ansteckende Gesundheit, wir haben uns bei meinem Mann angesteckt“, erzählte sie den Nachbarn. Und dann ging es schnell. In den nächsten Tagen wurden auch die Nachbarn von Gesundheit ergriffen, der Morbus Feivel breitete sich in der ganzen Stadt aus. Bald kamen Leute aus der Umgebung, um sich mit Gesundheit anzustecken. Am Ende war das ganze Land davon infiziert.
In diesem Sinn könnte ein Pfingstwunsch 2020 lauten, sich mit Gesundheit, Lebensfreude und Zuversicht anzustecken, dem Gesunden und der Gesundung Raum zu geben. In der Pfingstsequenz heißt es über den Hl. Geist:
Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund. Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, heile du, wo Krankheit quält.
Wo dieser Geist Gottes wirkt, da können Mensch und Schöpfung gesund werden. Und Gesundheit ist vielfach gefragt. Unser Verhältnis zur Natur braucht Gesundung, damit wir dankbar über die Wunder des Lebens staunen, unsere Verantwortung wahrnehmen und nachhaltig mit den Ressourcen umgehen können. Es gilt aber auch realistisch die unerlösten Momente der Natur wahrzunehmen und sich darauf einzustellen. Gesundung brauchen auch unsere Zeiteinteilung und unsere Beziehungen. Viele haben erzählt, dass sie in den vergangenen Wochen klarer gesehen haben, wer und was wirklich wichtig ist, wie eine gute Tagesstruktur und eine echte Spiritualität tragen können. Wertvolle Begegnungen brauchen Zeit und Raum. Hoffentlich vergessen wir das nicht, wenn nun alles wieder hochgefahren wird!
Die vergangenen Tage haben uns viel mit Leid in Berührung gebracht – in der Passion Jesu wie auch in der Pandemiekrise der Gegenwart. Wenn man den Spuren Jesu nachgeht, dann folgt man einen Weg, der nicht im Leid endet. Es kommt Ostern – Auferstehung, und diese unglaubliche Botschaft prägt uns als Christenheit und will uns immer wieder neu erreichen, auch in diesem schwierigen Jahr. Ostern ist das Fest der Auferstehung. Das ist die Perspektive, die das Leben schon hier und jetzt beflügelt und für das Nachher ein gutes Ziel weist. Das Leben kommt wieder – es erblüht neu, am irdischen Ende wird es gewandelt und das wird uns keiner mehr nehmen auf ewig. Wir dürfen an einen Gott glauben, der uns das schenkt.
Den Osterglauben kann man aber nicht anschaffen, oft ist er so verdeckt wie unser herrliches Auferstehungsbild in der Stiftskirche 40 Tage von einem Fastentuch verborgen wird. Da sind die Enttäuschungen so groß, die Trauer so massiv, die Last so schwer, die Angst so bedrängend, die Zweifel so stark, dass es einfach nicht geht an die Auferstehung zu glauben. Wie kann dann Ostern werden? Vielleicht, wenn wir Menschen zuhören, die diesen Osterglauben lebten und denen dieser Glaube geholfen hat. Der Künstler unseres Altarbildes, J.M. Rottmayr, weiß so eine Ostergeschichte zu erzählen. Er hat das Bild 1690/91 gemalt in einer Zeit, die mühsam verheilende Kriegswunden, viel Not und immer wieder aufflackernde Pestwellen kannte. Er selber hatte 14 Geschwister, von denen 1690 noch 3 lebten, seine Mutter verstarb drei Jahr vorher, sein Vater kurz vor der Arbeit an unserem Bild, sein Sohn sollte 1693 folgen. Von seinen 6 Kindern haben nur 2 das Erwachsenenalter erreicht.
Mitten in dieser so belastenden Situation malt Rottmayr so ein großartiges Bild der Auferstehung. Er ließ ein Fenster ausbrechen, damit es die Vormittagssonne belichtet – das Licht kommt ins Dunkel. Und das spiegelt sich auch in seiner Bildkomposition wieder, die vom Kontrast lebt: Unten ist es dunkel, oben hell und strahlend; unten Trauer, oben Freude und Lebendigkeit, unten bewaffnete Krieger, oben die Fahne des Sieges und des Friedens. Das Licht der Auferstehung strahlt aus, durch Früchte und Ranken werden auch die Altarfiguren gleichsam mitgenommen nach oben. Damit uns das aufgeht, damit wir das wahrnehmen können, muss der Vorhang fallen. Das geschieht jede Osternacht bei uns, es geht ganz leicht, im Leben ist das oft viel schwerer. Aber es geht, wir dürfen es Gott zutrauen, dass er für jeden einen Weg findet, wenn man ihm nur eine Chance gibt.
Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie das Osterevangelium auf sich wirken lassen, dass Sie in der Hauskirche gemeinsam lesen, beten, still werden und singen können – das ist eine gute Möglichkeit, dass der Osterglaube ankommen kann. Von Herzen ein gesegnetes und gesundes Osterfest, vor allem auch den kranken und bedrängten Mitmenschen! Das Leben wird wieder neu und das Leben vergeht nicht mehr. Halleluja!